Erneuerungsfonds, richtig geäufnet.
Stockwerkeigentum
Der Erneuerungsfonds ist ein zweckgebundenes Sondervermögen, das der Gemeinschaft der Eigentümer:innen der Liegenschaft zusteht und durch einmalige oder meist periodische Beiträge der einzelnen Stockwerkeigentümer:innen geäufnet wird. Dadurch soll die Realisierung künftiger Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten, etwa mit Bezug auf Gebäudehülle, Heizung / Klimatisierung oder Rohrleitungen, erleichtert werden.
Obschon der Erneuerungsfonds praktisch von grosser Bedeutung ist, erfährt er im Gesetz eine nur rudimentäre Regelung in vereinzelten Bestimmungen:
Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds (Art. 712l Abs. 1 ZGB).
Gemäss Art. 712m Abs. 1 Ziff. 5 hat die Versammlung der Stockwerkeigentümer die Befugnis, über die Schaffung eines Erneuerungsfonds für Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten zu befinden.
Der Erneuerungsfonds ist von Gesetzes wegen nicht zwingend vorgeschrieben, sondern steht im Ermessen der Gemeinschaft. In der Praxis ist die Äufnung eines Erneuerungsfonds üblich und empfehlenswert.
Sanierungsbedarf und neue gesetzliche Vorgaben: Zunehmende Bedeutung des Erneuerungsfonds
Abgesehen von jährlichen Betriebskosten sind Kosten für den Unterhalt sowie für erforderliche Gebäudesanierungen aufzubringen. Dieser künftige Kapitalbedarf wird, v.a. zu Beginn und insbesondere bei Neubauten, oft unterschätzt. In jüngster Zeit gerät der gemeinschaftliche Finanzierungsbedarf besonders in den Fokus. Denn zwecks Bekämpfung von Klimawandel und Energiekrisen wird die Beschränkung der Nutzung fossiler Energien beschleunigt. Damit werden viele (zusätzliche) und teilweise zwingende Immobilieninvestitionen im Bereich der energetischen Sanierung oder der autonomen Energieerzeugung (Fotovoltaik auf Dächern und Fassaden von Gebäuden, Erdwärmesonden-Anlagen (EWS), etc.) unumgänglich. Erforderlich ist somit eine nachhaltige Erneuerungs- und Unterhaltsstrategie.
Gewöhnliche Unterhaltskosten sollen durch periodische Eigentümerbeiträge im Rahmen der ordentlichen Jahresabrechnung finanziert werden. Demgegenüber ist der Erneuerungsfonds, welcher in der Regel analog zu anderen gemeinschaftlichen Lasten nach Massgabe der Wertquoten einzulegen ist, für ausserordentliche Renovationsarbeiten und grosszyklische Erneuerungen vorzusehen, zum Zwecke des Erhalts und der Verbesserung der gemeinschaftlichen Gebäudesubstanz. Der Erneuerungsfonds dient dagegen explizit nicht der Sanierung der zu Sonderrecht ausgeschiedenen Wohnungen.
Um wirtschaftliche Engpässe zu vermeiden und finanzielle Belastungen für künftige Gebäudeinvestitionen kalkulierbar zu halten, sind angemessene und regelmässige Fondseinlagen festzulegen. Durch solche Rückstellungen wird die Durchführung notwendiger und angezeigter Sanierungsmassnahmen gefördert, weil das benötigte Kapital zum erforderlichen Zeitpunkt nicht erst beschafft werden muss, sondern bereits vorhanden ist. Der Erneuerungsfonds ist somit ein Instrument, um notwendige und nützliche Baumassnahmen grundsätzlich unabhängig von der Kostenbelastung beschliessen zu können. Damit können auch viele Streitsituationen oder gar gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden. Dieser Aspekt ist gerade im Lichte unterschiedlicher Interessen unter Stockwerkeigentümer:innen zu bedenken, die sich aus individuellen Ansichten und unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten, aus veränderten Lebenssituationen (wie Arbeitsstellenverlust bzw. Jobwechsel, Scheidung, familiärer Todesfall) oder aus fundamental divergierenden Bedürfnissen (etwa von jüngeren und älteren Generationen) ergeben können.
Weiter ist zu empfehlen, praktikable Richtlinien für die Mittelverwendung reglementarisch festzusetzen. Im Rahmen der festgesetzten Zweckbestimmung kann und hat die Stockwerkeigentümerversammlung frei zu entscheiden, welche Sanierungsarbeiten in welchem Umfang aus dem Erneuerungsfonds bezahlt werden sollen. Ohne anderweitige Regulierung in der Gemeinschaftsordnung ist hierfür ein Mehrheitsbeschluss (einfaches Mehr) erforderlich und ausreichend. Gerade bei Investitionen in neue Technologien, etwa einer Tiefgaragenausstattung für Elektroautos, ist auch darauf zu achten, dass nicht für einzelne Stockwerkeigentümer:innen («First Mover») faktische oder rechtliche Privilegien, z.B. beim Energiebezug, geschaffen werden, die eine spätere Anbindung der übrigen Gemeinschaft erschweren.
Angemessene Äufnung der Fondseinlagen
Die Errichtung eines Erneuerungsfonds kann jederzeit, also bereits bei der Begründung von Stockwerkeigentum oder im Stockwerkeigentumsreglement oder auch erst später durch die Stockwerkeigentümerversammlung mittels einfachen Mehrheitsbeschlusses erfolgen. Dasselbe Quorum gilt prinzipiell auch für die Festlegung und Abänderung der Beitragshöhe. Zur Schaffung von Rechtssicherheit kann es sich empfehlen, das notwendige Mehr für die Mittelverwendung (z.B. für nützliche, notwendige, luxuriöse Baumassnahmen; letztere nur bei Einstimmigkeit) reglementarisch festzusetzen. Grundsätzlich ist auch eine Kompetenzdelegation zur Festlegung des Beitrags an den Erneuerungsfonds durch die Verwaltung denkbar, allerdings nur auf Basis eines entsprechenden einstimmigen Beschlusses der Versammlung der Stockwerkeigentümer:innen.
Soll ein Erneuerungsfonds erst zu einem späteren Zeitpunkt geschaffen werden, so besteht die Gefahr, dass dessen Einführung oder ein Regulativ dazu scheitert, sofern sich dafür unter den Stockwerkeigentümer:innen keine Mehrheit findet. In der Praxis empfiehlt sich in aller Regel, bereits ab dem ersten Jahr mit der Äufnung des Erneuerungsfonds zu beginnen und eine zweckmässige Anlagestrategie festzulegen, mit welcher nebst einer angemessenen Rendite vor allem ausreichende Sicherheit und Liquidität für anstehende Sanierungen gewährleistet werden.
Ist eine Beitragshöhe nicht reglementarisch festgesetzt (was jedenfalls flexibel gestaltet werden sollte), so sind Fondseinlagen in der Regel jährlich und quotenproportional nach dem Gleichbehandlungsprinzip zu beschliessen. Als Bemessungsgrundlage hat sich etwa der Gebäudeversicherungswert (Assekuranzwert, ohne Landwert) bewährt bzw. einen darauf basierten Anteil, der dem mutmasslichen künftigen Erneuerungsbedarf gerecht wird. Vor allem bei älteren, über 20-jährigen Liegenschaften empfiehlt sich normalerweise eine jährliche Einlage von mindestens 0,5% des Assekuranzwertes.
Umgekehrt ist aber auch ein übermässiges Anwachsen des Erneuerungsfonds zu vermeiden. Mit dem gemeinschaftlichen Fondsvermögen soll der voraussichtliche Finanzierungsbedarf für künftige Renovationen und Investitionen auf die kommenden Jahre hinaus, nach Massgabe der konkreten Bedürfnisse der Liegenschaft, gedeckt werden. Eine Allgemeinregel dafür gibt es nicht. Die Bandbreite liegt wohl zwischen 2% und 20% des Gebäudeversicherungswertes. Bei einer Plafonierung des Erneuerungsfonds ist jedoch, je nach Liegenschaft, Vorsicht geboten, weil dies, namentlich bei alten Liegenschaften, eine trügerische Sicherheit vermitteln kann. Steht kurz nach einer dringenden Sanierung unerwartet eine weitere unausweichliche Sanierung bevor, so besteht die Gefahr, dass nicht genügend frisches Kapital rechtzeitig geäufnet wird, womit eine vergleichbare Situation eintreten kann, wie wenn gar kein Erneuerungsfonds geschaffen wurde. Dies kann einzelne Stockwerkeigentümer:innen unvermittelt in finanzielle Bedrängnis bringen. Es empfiehlt sich daher, periodisch den Gebäudezustand und den mittelfristigen Sanierungsbedarf fachmännisch zu eruieren sowie die Beschlüsse zum Erneuerungsfonds danach auszurichten. Diese Aufgabe sollte jede Stockwerkeigentumsverwaltung im Auge behalten.
Relevanz beim Kaufentscheid: Erneuerungsfonds nicht vernachlässigen
Wohnraum ist in der Schweiz ein knappes und begehrtes Gut, jedoch für viele fast unerschwinglich geworden. Traditionelle Einfamilienhäuser werden im Zuge der Verdichtung und des steten Bevölkerungswachstums tendenziell immer weniger erstellt. Das Stockwerkeigentum («Eigentumswohnungen») erfreut sich trotz hoher Kosten demgegenüber immer grösserer Beliebtheit. Seit der COVID19-Pandemie erfahren besonders Wohnungen mit Homework-Potential und Aussenbereichen (Gartenanteile, Terrassen und Balkone) sowie Ferienwohnungen eine erhöhte Nachfrage.
Beim Erwerb von Wohneigentum werden zwar die eigenen Finanzierungsgrenzen für einen Kauf meist detailliert evaluiert und beurteilt, die finanzielle Situation der Eigentümergemeinschaft bzw. das Regulativ und die Äufnung eines Erneuerungsfonds werden aber oft nur ungenügend bedacht. Der Erneuerungsfonds stellt von Gesetzes wegen Vermögen der Eigentümergemeinschaft dar, an welchem jede:r Stockwerkeigentümer:in nach Massgabe seiner Wertquote partizipiert und welcher Wertanteil untrennbar mit dem Stockwerkeigentum verbunden ist. Dieser Vermögensanteil kann also nicht herausverlangt werden und geht mithin bei einem Verkauf auf die Käuferschaft der Stockwerkeinheit über. Umgekehrt riskiert die Käuferschaft, allfällig ausstehende, von der Verkäuferschaft nicht geleistete Beitragsleistungen nachträglich begleichen zu müssen. Einen allfälligen Ausgleich für Einlagen in den Erneuerungsfonds erhält die Verkäuferschaft somit grundsätzlich nur im Rahmen des Kaufpreises.
Fehlt ein Erneuerungsfonds gänzlich oder ist dieser im Lichte des Alters und Zustands der Liegenschaft nur ungenügend dotiert, so kann dies für die Käuferschaft ein erhebliches finanzielles Risiko darstellen, weil gegebenenfalls nach dem Kauf hohe Einschüsse für erforderliche Sanierungen drohen. Dies macht eine Immobilie grundsätzlich unattraktiv und könnte im Einzelfall das Budget von Neuerwerbenden sprengen. Umgekehrt stellt ein gut gefüllter Erneuerungsfonds für die Verkäuferschaft ein in der Praxis oft zu wenig angepriesenes Argument dar. Die Adäquanz eines Erneuerungsfonds hinsichtlich Höhe und Einlageregulativ unter Berücksichtigung der Eigenheiten der Liegenschaft sollten mithin geprüft bzw. thematisiert werden und letztlich kaufpreisbildend wirken.
Ergänzende Hinweise zu Beitragssicherung, Zwangsverwertung und Steuerrecht
Im Falle geschuldeter, aber unbezahlter Beitragsforderungen (Vorschussleistungen oder Deckungsbeiträge) von Stockwerkeigentümer: innen an die Gemeinschaft kommt das gesetzliche Gemeinschaftspfandrecht (Art. 712i ZGB) zum Tragen, was nach der Rechtsprechung auch für Einlagen in den Erneuerungsfonds gilt. Ebenso besteht für ausstehende Beiträge an den Erneuerungsfonds das gesetzliche Retentionsrecht (Art. 712k ZGB). Führen finanzielle Schwierigkeiten eines Wohneigentümers oder einer Wohneigentümerin zu einer Zwangsverwertung des Stockwerkanteils, so erstreckt sich diese auch auf die Rechte am Erneuerungsfonds als Vermögen der Stockwerkeigentümergemeinschaft. Es erfolgt dann zwar keine selbständige Verwertung, aber die Rechte am Erneuerungsfonds werden auf den:die neue:n Stockwerkeigentümer:in übertragen. Gestützt auf Art. 24 Abs. 5 Verrechnungssteuergesetz kann zwar die Verwaltung für die Stockwerkeigentümergemeinschaft die Verrechnungssteuer auf den Erträgen des Erneuerungsfonds gesamthaft zurückfordern. In der Praxis ist aber jedenfalls in den meisten Kantonen durch die einzelnen Stockwerkeigentümer:innen der jeweilige Anteil am Bruttoertrag des Erneuerungsfonds (als nicht der Verrechnungssteuer unterliegend) sowie der Anteil am Fondsvermögen (als Vermögen) zu deklarieren. Nach der Bundesgerichtspraxis sind zudem Beiträge an den Erneuerungsfonds grundsätzlich im Rahmen der Einkommensteuer abzugsfähig.
Dr. Daniel Thaler (Bild links) ist Rechtsanwalt sowie Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht. Er ist Partner der 2014 gegründeten, auf Immobilien-, Miet- und Baurecht spezialisierten Kanzlei Tschudi Thaler Rechtanwälte in Zürich. Dr. Christian Kreher (Bild rechts) ist seit November 2021 Rechtsanwalt bei Tschudi Thaler Rechtsanwälte in Zürich (www.ttlegal.ch).